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SHAVENT

blogbeitrag shavent

In Staffel 10, Folge 5, der TV-Show „Die Höhle der Löwen" präsentiert ein junges Unternehmen aus München einen Rasierer namens SHAVENT: Ein Schwingkopfrasierer mit wechselbarem Klingenkopf.


Für SHAVENT wurde eine Europäische Patentanmeldung eingereicht. Die Anmeldung befindet sich zum Zeitpunkt des Verfassens dieses Artikels noch in der Prüfungsphase. Wir sehen in SHAVENT ein gutes Beispiel, um das Anmeldeverfahren vor dem Europäischen Patentamt (EPA) zu beleuchten. Dabei wird aufgezeigt, wie seitens des Anmelders gleichzeitig mehrere Einwände des Prüfers auf elegante Art und Weise beseitigt werden können, um Patentschutz erfolgreich und kosteneffizient zu erreichen.

Das Produkt: SHAVENT. Worum geht es?

SHAVENT ist ein Nassrasierer, dessen Handstück und Scherkopf aus Zink besteht und in einem Präzisions-Druckguss-Verfahren hergestellt wird. Eine Verchromung bildet das Finish. Neben dieser Veredelung liegt ein Vorteil in dem nachhaltigen Design des Nassrasierers, dessen Kopf auseinandergenommen werden kann, um die innenliegenden Standardklingen auszutauschen. Hierdurch werden Umwelt (weniger Plastik) und Geldbeutel (günstige Standardklingen) nachhaltig geschont.

Die Patentanmeldung (Az.: 20206411.9)

Wie eingangs erwähnt, wurde für das Produkt SHAVENT eine Europäische Patentanmeldung (EP 3 825 079 A1, im Folgenden EP'079 genannt) eingereicht, für die bereits ein Europäischer Recherchenbericht erstellt wurde.

Der Recherchenbericht

Im Recherchenbericht beurteilt der Prüfer, ob die EP'079 die materiellen und formellen Erfordernisse einer Patentanmeldung erfüllt.

Info: Materielle Erfordernisse sind alle Aspekte, die mit der Erfindung an sich und der grundsätzlichen Gewährbarkeit in Verbindung stehen. Hierunter fallen zum Beispiel Neuheit und erfinderische Tätigkeit. Formelle Erfordernisse sind alle Aspekte, die der Gewährbarkeit des Patents per se nicht im Wege stehen, aber als Voraussetzung für die Prüfung der Patentanmeldung von dem Anmelder umzusetzen sind.

Einer dieser Erfordernisse, die eine Patentanmeldung erfüllen muss, nämlich die Einheitlichkeit, wird im Folgenden näher erläutert.

Fehlende Einheitlichkeit

Einheitlichkeit bedeutet, dass eine Anmeldung formal nur eine einzige Erfindung beinhalten darf.

Info: In Art. 82 EPÜ wird die Einheitlichkeit der Erfindung so definiert, dass eine europäische Patentanmeldung nur eine einzige Erfindung enthalten darf oder eine Gruppe von Erfindungen, die untereinander in der Weise verbunden sind, dass sie eine einzige allgemeine erfinderische Idee verwirklichen.

Der Hintergrund dieser Ordnungsvorschrift ist vergleichsweise trivial: Ein Anmelder soll sich nicht Gebühren dadurch sparen können, dass er mehrere Erfindungen in eine Anmeldung packt. Da kein Patentamt der Welt auf Geld verzichten möchte, kennt praktisch jedes Patentsystem eine solche Vorschrift. So auch das deutsche Patentgesetz mit der fast gleichlautenden Vorschrift §34, Absatz 5, PatG.

Bei der Prüfung auf Einheitlichkeit wird grundsätzlich zwischen einer Uneinheitlichkeit a priori und einer Uneinheitlichkeit a posteriori unterschieden. Die Uneinheitlichkeit a priori besteht unabhängig vom Stand der Technik; sie ist sozusagen schon aus der zu prüfenden Anmeldung selbst ersichtlich. Dagegen ergibt sich die Uneinheitlichkeit a posteriori erst aus einem Vergleich mit dem ermittelten Stand der Technik, wenn sich der Gegenstand eines unabhängigen Anspruchs als bekannt oder nicht erfinderisch erweist und damit die gemeinsame Idee entfällt, die mehrere abhängige Ansprüche verbindet.

Wurde die Uneinheitlichkeit einer Anmeldungen während des Prüfungsverfahrens nicht erkannt, kann sie später nicht mehr als Einspruchs- oder Nichtigkeitsgrund geltend gemacht werden, da sie mit Abschluss des Prüfungsverfahrens ihre Ordnungsfunktion erfüllt hat.

Zur EP'079 erhebt der Prüfer im Recherchenbericht den Einwand, dass diese nicht einheitlich im Sinne des Art. 82 EPÜ sei.

Grund hierfür sind die verschiedenen Ausgestaltungen des Rasierers, die in den abhängigen Ansprüchen der EP'079 definiert sind. So behauptet der Prüfer, dass die folgenden drei verschiedenen Erfindungen definiert wären:

1) mehrere Rasierklingen, die auswechselbar zwischen Rahmen und Abdeckung gelagert sind (vgl. Ansprüche 1-9, 12, 14 und 17 in EP'079);
2) schwenkbare Lagerung des Rasierkopfs (vgl. Ansprüche 10, 11 und 13 in EP'079); und
3) spezielle Ausführung des Griffes (vgl. Ansprüche 15 und 16 in EP'079).

Die Basis für diese Behauptung bildet Art. 82 EPÜ dadurch, dass der unabhängige Anspruch 1, auf den sich die drei angeblich verschiedenen Erfindungen 1), 2) und 3) beziehen, nicht neu ist und damit keine Basis für eine einzige allgemeine (d.h. gemeinsame) erfinderische Idee aller drei Erfindungen bildet.

Teilanmeldungen

Aufgrund dieser Behauptung, fordert der Prüfer den Anmelder im Recherchenbericht auf, die Patentanmeldung auf eine dieser drei Erfindungen einzuschränken und die anderen beiden Erfindungen in separaten Patentanmeldungen weiterzuverfolgen.

Formalistisch gesehen ist diese Forderung nach Beseitigung der Uneinheitlichkeit a posteriori nach dem Verständnis von Art. 82 EPÜ berechtigt. Allerdings entstehen dem Anmelder durch Einreichen von entsprechenden Teilanmeldungen (Art. 76 EPÜ) mit jeweiligen Anmelde- und Recherchengebühren hohe Kosten.

Info: Mit Teilanmeldungen kann das Ziel verfolgt werden, auf unterschiedliche Aspekte einer Erfindung, für die eine Ursprungsanmeldung vorliegt, mehrere auf diese unterschiedlichen Aspekte gerichtete Patente zu erlangen. Zum einen kann damit der Einwand der Uneinheitlichkeit begegnet werden, zum anderen kann damit ein neuer Aspekt der Erfindung, der bisher nicht beansprucht und demzufolge auch nicht recherchiert wurde, zur Prüfung gestellt werden.

Angesichts der hohen Kosten für Teilanmeldungen sollte der Anmelder daher eingehend prüfen, ob die Argumentation der Rechercheabteilung wirklich eine Uneinheitlichkeit überzeugend begründet. Oftmals lässt sich nämlich eine andere allgemeine (d.h. gemeinsame) erfinderische Idee finden, womit die Einheitlichkeit argumentativ (d.h. ohne Teilanmeldungen) dargelegt werden kann.

Allgemeine erfinderische Idee

In Anspruch 1 der EP'079 wird definiert, dass „die mindestens eine Rasierklinge mittels betätigbarer, außermittig angeordneter Fixiermittel (19) zwischen dem Rahmen (7) und der Abdeckung einsetzbar ist" (vgl. Fig. 2 der EP'079, unten links). Der Prüfer zitiert hierzu das Dokument D1 (WO 2016/081795 A1; vgl. Fig. 1 aus D1, unten rechts) und behauptet, dass die Schraube 26 des Rasierers aus D1 auch betätigbar und außermittig angeordnet ist.

Info: Außermittig kann unterschiedlich verstanden werden, zum Beispiel, dass die Schraube näher zur Oberkante hin angeordnet ist (vgl. Fig. 1 aus D1, unten rechts).

Shavent Fig. 2
Shavent Fig. 1

Wir stimmen dem Prüfer in seiner Einschätzung zu, aber sehen auch gleichzeitig die allgemeine und dadurch gemeinsame erfinderische Idee des Rasierers SHAVENT darin, dass die Fixiermittel „symmetrisch" außermittig angebracht sind (siehe Absatz [0009] in der Beschreibung der EP'079).

Folglich könnte durch das Hinzufügen des scheinbar einfachen Zusatzes „symmetrisch" in Anspruch 1 nicht nur die Neuheit, sondern auch die Einheitlichkeit hergestellt werden.

Da Anspruch 1 mit einer solchen Änderung neu gegenüber D1 wäre, haben alle von Anspruch 1 abhängigen Ansprüche eine gemeinsame Basis, welche als einzige allgemeine erfinderische Idee aufgefasst werden kann. Somit könnte das Erfordernis der Einheitlichkeit zusammen mit dem Erfordernis der Neuheit erreicht werden.

Basierend auf den „symmetrisch außermittig angebrachten Fixiermitteln" kann in Ergänzung zur Neuheit auch die erfinderische Tätigkeit argumentiert werden. Denn durch die Symmetrie kann eine bessere Zugänglichkeit zu Problemzonen, wie dem Übergang zwischen Oberlippe und Nase erreicht werden (vgl. Absätze [0011] und [0012] in EP'079). Dieser Vorteil kann durch einen Rasierer, wie er in Fig. 1 aus D1 gezeigt ist, nicht erreicht werden.

Somit könnte eine solche Änderung an Anspruch 1 alle Einwände bezüglich Einheitlichkeit, Neuheit und erfinderischer Tätigkeit gleichzeitig lösen. Die hohen Kosten für mögliche Teilanmeldungen können somit vermieden werden.

Fazit

Anhand der EP'079 wurde gezeigt, wie Einwänden von Prüfern begegnet werden kann, um den Erfordernissen des Europäischen Patentübereinkommens (EPÜ) erfolgreich zu begegnen.

In der Praxis zeigt sich, dass durch die Behebung eines Einwandes oft auch ein anderer Einwand behoben werden kann. Im vorliegenden Beispiel der EP'079 zum Produkt SHAVENT haben wir gezeigt, dass durch Beheben des Einwands bezüglich der Neuheit gegenüber dem nächstliegenden Stand der Technik D1 auch die Einheitlichkeit wiederherstellen lässt und gleichzeitig eine effektive Abgrenzung zum Stand der Technik zur Darlegung erfinderischer Tätigkeit vorgenommen werden kann. Damit wurde auch ein effektiver Weg aufgezeigt, der dem Anmelder die für Teilanmeldungen anfallenden hohen Kosten erspart.

Autor: Julian Graf
German and European Patent Attorney

Disclaimer: Der vorstehende Beitrag spiegelt die persönliche Auffassung des Autors wider. Die im Beitrag vorgenommen Einschätzungen und Ausführungen stellen keine Rechtsberatung dar und werden unter Ausschluss jeglicher Haftung zur Verfügung gestellt. Wenn Sie eine patentrechtliche Prüfung Ihres Einzelfalls benötigen, so wenden Sie sich bitte an den Autor und/oder die Kanzlei KUHNEN & WACKER.

Julian Graf

Autor: Julian Graf
German and European Patent Attorney

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